Foto: Neuer Chor der Stadt Bochum (Michael Bloß)
Foto: Neuer Chor der Stadt Bochum (Michael Bloß)

„Passion Music“ von Will Todd am 24. März 2024 in Bochum

Die ersten Klavierakkorde in der Aufführung der „Passion Music“ des britischen Jazzkomponisten Will Todd erinnern an Duke Ellington. Vielleicht schon eine bewusste Reminiszenz? Denn Todds neunsätziges Oratorium für Chor, Gospel-Solistin und Jazz-Ensemble steht in der Tradition großangelegter Werke wie Ellingtons „SacredConcerts“. 

Die vertonten Texte sind eine Kombination aus Bibeltexten sowie englischen und amerikanischen geistlichen Dichtungen aus dem 13. bis 20. Jahrhundert. Musikalisch erinnert direkt der erste Satz an den Hard Bop der 1950er und 1960er Jahre – treffend insofern, als man sich damals auf die Wurzeln afroamerikanischer Musik in Blues und Gospel rückbesann. Stilistisch könnte man das gesamte Werk insofern auch gut Soul- oder Gospel-Oratorium nennen. 

Die Begleitung des Jazzensembles gibt rhythmisch den Jazzcharakter vor. Der Chorsatz orientiert sich dazu meistens homophon und deklamatorisch am Text; harmonisch aber werden die Stimmen von komplexen, vielstimmigen und jazztypischen Akkordwendungen gefordert – eine Herausforderung, die der Neue Chor der Stadt Bochum unter der Leitung von Lukas Zschorlich hervorragend meistert. An einzelnen Stellen sind aber auch die Sängerinnen und Sänger rhythmisch gefordert, etwa, wenn Todd aus den Worten „I give you a new commandment“ das tragende rhythmische Motiv für einen 7er-Takt ableitet und den Chor das Gebot „Love one another“ wie ein Jazz-Riff wiederholen lässt. 

Zum Text des „Stabat Mater“ aus dem 13. Jahrhundert lässt der Komponist den Chor zuerst a cappella mit scharfen Dissonanzen den Schmerz der Mutter Gottes aussingen, was an Distler und europäische Chormusik des 20. Jahrhundert denken lässt. Es ist dann am Jazzensemble zu zeigen, wie sich dieselben Dissonanzen als Klangfarben oder „options“ in die Jazzakkorde der Begleitung einfügen und so einen ganz anderen Charakter entfalten. Die Sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz sind ein als eindringlicher Blues vertontes Lamento, in dem die Solistin im Wechsel mit dem Chor singt. Hier kann Catalina Contreras die volle Ausdruckskraft des Gospelidioms einbringen. 

Der letzte Satz des Oratoriums ist als mehrteiliges Finale konzipiert, bei dem der Chor sich auch mehrstimmig polyphon die Fragen des Textes hin- und herwirft. Mit viel Nachdruck nimmt Todd das Anfangsmotiv „Greater love has no man“ auf, und die Botschaft von Auferstehung und Erlösung hallt auch im Wortsinne nach dem mächtigen Ende des Stückes lange nach. 

Die eingefügten Kompositionen von Hildegard von Bingen, gesungen von Greta Zschorlich, fügen dem Konzert paradoxerweise ausgerechnet den improvisatorischen Charakter hinzu, der eigentlich typisch für Jazz wäre und im Oratorium fehlt – trotz Trompete, Saxophon und Posaune, die letztlich nur sparsame Akzente hinzufügen. Die sich frei entwickelnde, lineare und modale Melodik der drei hochmittelalterlichen Gesänge erfordert genau die Form eines dem Moment verhafteten, vernehmenden Hörens, das auch beim Mitverfolgen eines Jazzsolos nötig ist. 

Insgesamt ein rundes Programm aus Stücken einer Komponistin und eines Komponisten, die nur scheinbar Jahrhunderte und Welten trennen. Die „Passion Music“ erweist sich dabei als höchst eingängiges Werk, das mit seiner vom Jazz gefärbten Harmonik viele Anklänge auch an aktuelle populäre Musiken hat, und das von Chor und Ensemble in ausgewogener Klangbalance souverän und mitreißend dargeboten wurde. 

Peter Klose 

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